Der Landtag in Nordrhein-Westhalen (NRW) hat nun mit einem Antrag kurz vor Weihnachten (Drucksache 16/4574 am 10.12.2013) in einer fraktionsübergreifenden Initiative die Bundesregierung und die Europäische Union (EU) aufgefordert, sich „für den Meisterbrief als Siegel für Qualität“ einzusetzen. Kurz: Die GRÜNEN und die CDU setzen sich gemeinsam für den Meisterbrief ein. Das hätte es früher nicht gegeben. Haben die GRÜNEN ihre Position gewechselt?
Seitdem die Europäische Kommision in ihrem jüngsten Länderbericht den deutschen Meisterzwang im Handwerk als „ungerechtfertigte Beschränkung“ und „Marktzutrittsschranke“ kritisiert hat und seine Abschaffung empfohlen hatte, läuft das organisierte Handwerk Sturm dagegen. Solche Bekundungen sind nicht neu und an sich nicht aufregend. Interessant ist allerdings, dass auch die Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN sich hinter diesen Antrag stellt. Schließlich war es die rot-grüne Bundesregierung, die 2004 die Deregulierung im Handwerk durchsetzte und von 93 Handwerken 53 Gewerke vom Meisterzwang befreite. Dazu zählen auch die vielgeschmähten Fliesenleger, Raumausstatter oder Schuhmacher, die dieses Recht angeblich seither mißbrauchen. Der dadurch ausgelöste Gründungsboom im Handwerk ist dem Zentralverband des Handwerks (ZDH) und den Handwerkskammern ein Dorn im Auge.
In dem Antrag wird die Meisterpflicht als „äußerst erfolgreiche Unternehmerschulung“ mit „besonderer Bedeutung“ hervorgehoben. Der Meisterzwang stelle angeblich „kein Gründungshemmnis“ dar. Warum, so fragen sich Beobachter, haben die GRÜNEN dann den Meisterzwang 2004 so stark eingeschränkt? Kein Wort mehr von dem Mißbrauch des Handwerksrechts zur Behinderung von Konkurrenten, von der nachweisbaren Gründungsbremse, der mit dem Meisterzwang verbundenen ruinösen Schikane von Handwerkern ohne Meisterbrief durch hohe Bußgeldforderungen bis hin zur Erpressung. Kein Wort mehr von dem entschiedenen Urteil der „Monopolkommission“, die sich mehrfach eindeutig für eine „gänzliche Abschaffung des Meisterzwangs“ ausgesprochen hat, weil „die Verhältnisse im Handwerksgewerbe keine wirtschaftliche Sonderstellung“ und keine Ausnahmen in der Berufs- und Gewerbefreiheit rechtfertigten. Punkt.
Haben die GRÜNEN die Fronten gewechselt? Vorausgegangen war dem Antrag „eine Initiative der CDU und ein SPD/GRÜNER Antrag … mit dem Ziel, dem Vorstoß der Monopolkommission entgegenzutreten“, antwortete die gründe Landtagsabgeordnete Daniela Schneckenburger auf eine disbezügliche Anfrage des IFHandwerk e.V. Sie fordert eine Überprüfung (Evaluation) der Handwerksreform von 2004. Dieser Initiative wird nun von CDU und GRÜNEN gemeinsam vertreten. DIE GRÜNEN möchten aber angeblich nur die Überprüfung der Reform von 2004. Sie möchten wissen, ob sich die Zahl der Kleinstselbstständigen ohne Ausbildungsbereitschaft tatsächlich so stark erhöht hat. Schneckenburger: „Damit ist ausdrücklich nicht gemeint, … die Novelle von 2004 und damit die Abschaffung der Meisterpflicht für ca die Hälfte der Gewerke zurückzunehmen.“
Unser Eindruck: Die Grünen bewegen sich trotz solcher Bekundungen weg von ihrer früheren kritischen Position zum Meisterzwang. Ein solcher Antrag gemeinsam mit der CDU wäre früher undenkbar gewesen. Allerdings werden sie die mehrheitlich liberale Position der Europäischen Union damit nicht aufweichen. Sie sind schlicht und einfach auf Stimmenfang beim etablierten Handwerk.