Das Landgericht Bochum hat mit seinem Beschluss vom 14.7.006 (AZ 12 Qs 10-11/06 – W – LG Bochum) die Rechtsbeschwerde gegen eine Wohnungsdurchsuchung verworfen. Der betroffenen Handwerkerin ohne Meisterbrief und ihrem Angestellten wurde ein Verstoß gegen die Handwerksordnung sowie Leistungsmissbrauch vorgeworfen. Ähnlich wie bei dem vom Bundesverfassungsgericht kürzlich entschiedenen Fall wurden die Einwände der Betroffenen von der Behörde ignoriert. Die Betroffenen werfen der Behörde eine Ausforschung von Kundendaten vor. Das Landgericht hat zwar den Durchsuchungsbeschluss gerade noch als rechtsmäßig eingestuft, die Beschlagnahmeanordnung selbst als unwirksam verurteilt. Das Amtsgericht Bochum hat jetzt darüber zu entscheiden, ob die von der Behörde kopierten Schriftstücke beschlagnahmt werden müssen.
Der IFHandwerk sieht nach einer Prüfung des Vorganges diverse Ungereimtheiten. IFHandwerk-Geschäftsführer Michael Wörle: „Es drängt sich der Verdacht auf, dass ähnlich wie in dem vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall die Durchsuchung letztlich vor allem der Begründung des Verdachts diente. Das ist unzulässig. Auch überzeugt die Begründung des Landgerichtes nicht, dass die Ordnungsbehörde für diesen Fall überhaupt zuständig sei. Die Verfolgung von Leistungsmissbrauch ist Sache der Zollbehörden.“
Zum Sachverhalt: Der arbeitslose Angestellte der Betriebsinhaberin soll in angeblich nicht gemeldeter Nebentätigkeit Wände lasiert haben. Angemeldet hatte die Inhaberin des Unternehmens zudem das eintragungsfreie Gewerbe des Trockenbaus, das sie später nach Erlass des Durchsuchungsbeschlusses um die Tätigkeit Raumausstatter erweitert hatte. Ob allerdings die Lasur von Wänden ein Vollhandwerk darstellt und ob es einen unerheblichen handwerklichen Nebenbetrieb gegeben haben könnte, hat die Behörde vor nicht geprüft, bevor sie den Durchsuchungsbeschluss beantragt hat. So reduzierte sich am Ende der Vorwurf auf den Leistungsmissbrauch, der inzwischen als widerlegt gilt.
IFHandwerk-Geschäftsführer Michael Wörle: „In Bochum sind die Grundrechte deutscher Staatsbürger offenbar nicht gut aufgehoben. Wir empfehlen den Behörden und Gerichten die Lektüre der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts.“
IFHandwerk-Mitglied Joachim Lutze glaubt, die Behörden wollten nur schnell abkassieren. Darauf weist auch die aus Sicht des IFHandwerk merkwürdige Vorgehensweise der Verfolgungsbehörde hin. Den Betroffenen soll zuerst ein Bußgeld von 14.000€ angedroht worden sein, später dann (allerdings gegen Rechtsmittelverzicht) nur noch ein Bußgeld von weniger als einem Drittel der anfänglichen Bußgeldforderung. Diese Vorgehensweise wird von der Behörde nicht bestritten und ist nach Erkenntnissen des IFHandwerk e.V. keineswegs selten. 90% der Betroffenen, so ein Behördensprecher gegenüber der Lokalzeitung, lassen sich auf diese wenig vertrauen erweckende Rabattierungspraxis ein.
Später wurde der Druck auf die Betroffenen weiter erhöht und eine Befragung aller Kunden angedroht. Logisch, dass die Behörde davon ausgehen konnte, dass die Betroffenen dadurch einen Großteil ihrer Kunden verlieren würden, auch wenn sich im Nachhinein ihre Unschuld herausstellen würde. Merkwürdig war auch, dass unter den beschlagnahmten Unterlagen sich auch die Renovierungsrechnung eines Behördenmitarbeiters befunden haben soll, für den die Betroffenen gearbeitet hatten und der ihnen weitere Aufträge vermittelt hatte. Später waren diese Belege allerdings später nicht mehr auffindbar.
Da die Ordnungsbehörde in solchen Verfahren die gleichen Pflichten und Rechte wie Polizei und Staatsanwaltschaft haben, könnten zukünftig Polizeibehörden ohne Prüfung der Unschuldsvermutung und durch Verwendung unzuverlässig erhobener Daten polizeiliche Verfolgungsmaßnahmen begründen und diese für eine Anschuldigung verwerten, wenn das Bochumer Beispiel Schule macht.
Wie bei der jüngsten Bundesverfassungsgerichtsentscheidung wurde in dem zu Grunde liegenden Fall eine Durchsuchung angeordnet, obwohl der Betroffene entlastende Beweise vorbringen konnte. Die Durchsuchung darf aber nicht zur Begründung des Verdachtes erfolgen, sondern nur bei begründetem Verdacht. Der Betroffene macht hiergegen geltend, dass die Durchsuchung der Ausforschung von Kundendaten gedient habe. Er habe seine Mitarbeit bei der Klärung offener Fragen angeboten.
So war es auch bei dem vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall. Die Behörde hatte den Einwänden des Betroffenen nicht geglaubt. Das Landgericht hält die Durchsuchungsanordnung zwar NOCH für verhältnismäßig, nicht aber die Beschlagnahme der Unterlagen, so dass das AG Bochum als Ermittlungsrichter nach Zurückverweisung zu prüfen hat, ob die behördlicherseits gezogenen Kopien (drei Aktenordner) zu beschlagnahmen sind. Die richterliche Beschlagnahmeanordnung war nicht wirksam, weil nicht hinreichend präzise. Damit, so das Landgericht, würden die Durchsuchungsbeamten letztlich über die Beschlagnahme entscheiden, nicht der Richter.
Nach Auffassung des Landgerichts reichen für den erforderlichen Anfangsverdacht bereits entfernte Indizien aus, die nach kriminalistischen Erfahrungen eine Ordnungswidrigkeit als möglich erscheinen lassen. Es muss sich aber um zureichende tatsächliche Anhaltspunkte handeln. Diese sollen hier vorgelegen haben. Angeführt werden hierfür das Ergebnis der Baustellenkontrolle vom 19.1.(der Betroffene hat Wände lasiert), telefonische Anfrage bei der ARGE (der Betroffene steht im Leistungsbezug und hat angeblich keine Nebeneinkünfte angegeben. Und das Schreiben der Arbeitsagentur vom 10.5. lag noch nicht vor). Nach der allgemeinen Lebenserfahrung, so das Gericht, sei davon auszugehen, dass die Inhaberin als (damals) mit dem Betroffenen zusammenlebende Lebensgefährtin von dem unterstellten Leistungsmissbrauch gewusst haben musste. Diese Lebenserfahrung der Beamten wird als hinreichend konkretes, eine Durchsuchung rechtfertigende Indiz vom Landgericht angesehen. Die Bundesverfassungsrichter würden hier vermutlich strengere Maßstäbe anlegen, weil die Behörde nach der jüngsten Rechtsprechung im Zweifel den mühsameren Weg zur Ermittlung zu gehen hat. Die vorliegenden Ergebnisse zeigen, dass die Behörde mit der Durchsuchung den leichteren, aber nicht verfassungskonformen Weg zu gehen gewillt war. Für die Betroffenen entlastende Argumente wurden nicht ausreichend beachtet.
Sollten Sie jemals Opfer einer Hausdurchsuchung werden, so lassen Sie un-bedingt alle beschlagnahmten Unterlagen ver-packen und versiegeln, damit sie erst im Bei-sein Ihres Anwalts ausgewertet werden und damit auch keine Belege verschwinden können. Nach Erfahrungen des Interessenverbands der freien Handwerkerinnen und Handwerker zahlen Handwerker, die sich in der geschilderten Weise unter Druck setzen lassen, viel höhere Bußgelder als die, die sich wehren.