Mit großer Mehrheit hat der Bundestag den Vorschlag des Vermittlungsausschusses beschlossen. Damit ist der Weg frei! Für 53 Handwerksberufe entfällt der Meisterzwang.
Die sechs wichtigsten Änderungen haben wir für Sie zusammengestellt:
- Befreite Handwerke: Für 53 von 94 Handwerksberufen wird ab 1.1.2004 der Zugang in Zukunft ohne Meisterbrief ermöglich (neue Anlage A HWO: vgl. Liste im Anhang). Erhalten bleibt der Meisterzwang z.B. bei Augenoptikern, Maurern, Dachdeckern, Bäckern, Fleischern oder Zimmerern. Gestrichen wird der Meisterzwang bei Gebäudereinigern, Buchbindern, Fotografen, Fliesenlegern, Geigenbauern, Goldschmieden, Modisten, Parkettlegern, Raumausstattern, Rolladen- und Jalousiebauern, Schuhmachern, Uhrmachern und Keramikern
- Altgesellengleichstellung: Für die verbleibenden 41 Handwerke werden Gesellen mit 6 Jahren Berufserfahrung den Meistern gleichgestellt. Für 4 von den 6 Jahren müssen sie allerdings Führungserfahrung in leitender Stellung nachweisen (§ 7 b HWO). Dies gilt für alle weiter eintragungspflichtigen Handwerksberufe mit Ausnahme der Schornsteinfeger und einige Gesundheitshandwerke (z.B. Zahntechniker). Diese Neuregelung auf Initiative des Vermittlungsausschusses stellt gegenüber der Gesetzesfassung der rot-grünen Koalition eine Verbesserung dar. Allerdings wird gegenüber EU-Mitbürgern, die ihre Berufserfahrung im Ausland gesammelt haben, der Abstand nur verringert. Die bisher verlangten 20 Berufsjahre sollten auf 10 Jahre verkürzt werden und werden jetzt weiter reduziert. EU-Mitbürger benötigen jedoch nur 3 Berufsjahre ohne Leitungserfahrung. Die Inländerdiskriminierung bleibt also erhalten.
- Betriebsleiter: In jeder Rechtsform ist es ab 1.1.2004 erlaubt, durch die Einstellung eines Meisters oder eines gleichwertig Berechtigten nach § 7 Abs. 1 HWO die Handwerksrolleneintragung zu erlangen. Bislang mussten Handwerker ohne Meisterbrief hierfür eine GmbH gründen oder einen Meister beteiligen. In einem Einzelunternehmen war dieses nicht möglich. Diese Ungleichbehandlung wird nun beseitigt
- Betriebsschließungen (Gewerbeuntersagungen) müssen in Zukunft von einem gemeinsamen Gremium aus IHK und HWK beschlossen werden (§ 16 HWO)
- Unerheblicher Nebenbetrieb: Die Nebenbetriebsregelung wird klarer gefasst. Bislang ist die Grenze des unerheblichen Nebenbetriebs immer wieder Streitgegenstand mit zum Teil hahnebüchenen Possen
- Einfache Tätigkeiten, die auch schon bisher zulassungsfrei ausgeübt werden dürfen, sind gesetzlich freigestellt. Damit wird allerdings nur die bisherige Rechtsprechung gesetzlich umgesetzt.
Der IFHandwerk begrüßt den Gesetzentwurf als Schritt in die richtige Richtung und dankt Wirtschaftsminister Clement und seinen der rot-grünen Koalitionsfraktionen für Ihren Einsatz in diesen schwierigen Auseinandersetzungen. Erstmals wird hiermit offiziell bestätigt, dass eine Weiterentwicklung des Handwerksrechts in Richtung Verbraucherschutz notwendig ist, dass das bisherige Gesetz zum Schutz des Handwerks überholt ist.
Allerdings ist die Umsetzung im Gesetzentwurf nicht zielführend. So benötigen schon heute beispielsweise Schweißer regelmäßige Nachweise. Dagegen darf ein Handwerker, der nach seiner Meisterprüfung 40 Jahre lang nicht mehr tätig war, ohne weiteren Nachweis sich selbstständig machen.
Verbandsgeschäftsführer Michael Wörle befragte Deutschlands prominentesten Zeugen: Walter Riester, Vorgänger von Bundesminister Clement. Riester äußerte Verständnis für die Forderungen des IFHandwerk und ist zugleich ein gutes Beispiel dafür, warum der Meisterbrief eben kein Qualitätsbeweis ist. Aus der Stellungnahme des IFHandwerk gegenüber dem Wirtschaftsministerium: „Insofern bietet eine vor 40 Jahren abgelegte Meisterprüfung keine Gewähr für die Kenntnis des Stands der Technik. Wenn Walter Riester, geprüfter Fliesenlegermeister, nach heute 34 Jahren beruflicher Abstinenz als Bundesminister a.D. wieder in seinen alten Beruf zurückkehren möchte, so wird ihn keiner fragen, ob und wie viele fachtheoretische und fachpraktische Weiterbildungen er in seiner Zeit als Bundesarbeitsminister absolviert hat, um in seinem alten Beruf auf dem Laufenden zu bleiben.“
Der Meisterbrief sichert also für die verbleibenden 41 Handwerksberufe keinen wirklichen Verbraucherschutz. Das muss nach wie vor geändert werden. Der IFHandwerk fordert: Ähnlich wie bei Schweißerprüfungen muss es einen Qualitätsstandard ohne Meisterprüfungszwang geben. Denn in den in der Anlage A HWO verbleibenden Handwerksberufen – sie sind als gefahrengeneigt eingestuft – wird es auch in Zukunft nicht wichtig sein, ob der Handwerksmeister noch up to date ist.
Ausblick: Der nächste Schritt wird unser Kampf für eine Liberalisierung des Schwarzarbeitsgesetzes sein. Handwerksübung ohne Meisterbrief darf kein Straftatbestand werden. Die Chancen stehen gut. Wir berichten, sobald hier die Einzelheiten feststehen.
Anhang: Neue Gesetzesformulierungen
Ergänzung § 1 Absatz 2 HwO:
Keine wesentlichen Tätigkeiten sind insbesondere solche, die
- in einem Zeitraum von bis zu drei Monaten erlernt werden können,
- zwar eine längere Anlernzeit verlangen, aber für das Gesamtbild des betreffenden zulassungspflichtigen Handwerks nebensächlich sind und deswegen nicht die Fertigkeiten und Kenntnisse erfordern, auf die die Ausbildung in diesem Handwerk hauptsächlich ausgerichtet ist, oder
- nicht aus einem zulassungspflichtigen Handwerk entstanden sind.
Die Ausübung mehrerer Tätigkeiten im Sinne des Satzes 2 Nr. 1 und 2 ist zulässig, es sei denn, die Gesamtbetrachtung ergibt, dass sie für ein bestimmtes zulassungspflichtiges Handwerk wesentlich sind.
Der § 7 Absatz 1 Satz 1 erhält folgende Fassung:
Als Inhaber des Betriebes eines zulassungspflichtigen Handwerksgewerbes wird eine natürliche oder juristische Person oder eine Personengesellschaft in die Handwerksrolle eingetragen, wenn diese oder der Betriebsleiter die Voraussetzungen für die Eintragung in die Handwerksrolle mit dem zu betreibenden Handwerk oder einem mit diesem ver-wandten Handwerk erfüllt.
Der neue § 7b HwO
(1) Eine Ausübungsberechtigung für Gewerbe der Anlage A, ausgenommen in den Fällen der Nummern 12 und 33 bis 37 der Anlage A, erhält, wer
1. eine Gesellenprüfung in dem zu betreibenden Gewerbe der Anlage A oder in einem mit diesem verwandten Gewerbe der Anlage A oder eine Abschlussprüfung in einem dem zu betreibenden Gewerbe entsprechenden anerkannten Ausbildungsberuf bestanden hat, und
2. in dem zu betreibenden zulassungspflichtigen Handwerk oder in einem mit diesem verwandten zulassungspflichtigen Handwerk oder in einem dem zu betreibenden zulassungspflichtigen Handwerk entsprechenden Beruf eine Tätigkeit von insgesamt sechs Jahren ausgeübt hat, davon insgesamt vier Jahre in leitender Stellung. Eine leitende Stellung ist dann anzunehmen, wenn dem Gesellen eigenverantwortliche Entscheidungsbefugnisse in einem Betrieb oder in einem wesentlichen Betriebsteil übertragen worden sind. Der Nachweis hierüber kann durch Arbeitszeugnisse, Stellenbeschreibungen oder in anderer Weise erbracht werden.
3. Die ausgeübte Tätigkeit muss zumindest eine wesentliche Tätigkeit eines zulassungspflichtigen Handwerks umfasst haben, für das die Ausübungsberechtigung beantragt wurde.
(1a) Die für die selbständige Handwerksausübung erforderlichen betriebswirtschaftlichen, kaufmännischen und rechtlichen Kenntnisse gelten in der Regel durch die Berufserfahrung nach Absatz 1 Nr. 2 als nachgewiesen. Soweit dies nicht der Fall ist, sind die erforderlichen Kenntnisse durch Teilnahme an Lehrgängen oder auf sonstige Weise nachzuweisen.
(2) Die Ausübungsberechtigung wird auf Antrag des Gewerbetreibenden von der höheren Verwaltungsbehörde nach Anhörung der Handwerkskammer zu den Voraussetzungen des Absatzes 1 erteilt. Im übrigen gilt § 8 Abs. 3 Satz 2 bis 5 und Abs. 4 entsprechend.
§ 16 wird wie folgt geändert:
(3) Wird der selbständige Betrieb eines Gewerbes der Anlage A als stehendes Gewerbe entgegen den Vorschriften dieses Gesetzes ausgeübt, so kann die zuständige Behörde die Fortsetzung des Betriebes untersagen. Die Untersagung ist nur zulässig, wenn die Handwerkskammer und die Industrie- und Handelskammer zuvor angehört worden sind und in einer gemeinsamen Erklärung mitgeteilt haben, das sie die Voraussetzungen einer Untersagung als gegeben ansehen. Die Landesregierung oder die von ihr ermächtigte Stelle bestimmt die zuständige Behörde.
(4) Können sich die Handwerkskammer und die Industrie- und Handelskammer nicht über eine gemeinsame Erklärung nach Absatz 3 Satz 2 verständigen, entscheidet eine von dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag und dem Deutschen Handwerkskammertag (Trägerorganisationen) gemeinsam für die Dauer von jeweils vier Jahren gebildete Schlichtungskommission. Die Schlichtungskommission ist erstmals zum … zu bilden.
(5) Der Schlichtungskommission gehören je ein von jeder Trägerorganisation benannter Vertreter sowie eine weitere gemeinsam von diesen zu benennende Person an, die auch den Vorsitz führt. Hat eine der Trägerorganisationen ihren Vertreter benannt und kommt die andere Trägerorganisation nicht innerhalb von einem Monat ab dem Benennungsdatum oder, nachdem die Stelle des von ihr zu benennenden Vertreters vakant geworden ist, ihrer eigenen Benennungspflicht nach, so erfolgt die Benennung auf Antrag der anderen Trägerorganisation durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit. Das gilt entsprechend auch für die Bestellung des Vorsitzenden, wenn sich die Trägerorganisationen nicht binnen eines Monats, nachdem beide ihre Vertreter benannt haben oder nachdem die Stelle des Vorsitzenden vakant geworden ist, auf eine Person haben einigen können. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Schlichtungsverfahren zu regeln. Die Schlichtungskommission gibt sich eine Geschäftsordnung.
Die neue Anlage A:
1. Maurer und Betonbauer
2. Ofen- und Luftheizungsbauer
3. Zimmerer
4. Dachdecker
5. Straßenbauer
6. Wärme-, Kälte- und Schallschutzisolierer
7. Brunnenbauer
8. Steinmetzen und Steinbildhauer
9. Stukkateure
10. Maler und Lackierer
11. Gerüstbauer
12. Schornsteinfeger
13. Metallbauer
14. Chirurgiemechaniker
15. Karosserie- und Fahrzeugbauer
16. Feinwerkmechaniker
17. Zweiradmechaniker
18. Kälteanlagenbauer
19. Informationstechniker
20. Kraftfahrzeugtechniker
21. Landmaschinenmechaniker
22. Büchsenmacher
23. Klempner
24. Installateur- und Heizungsbauer
25. Elektrotechniker
26. Elektromaschinenbauer
27. Tischler
28. Boots- und Schiffbauer
29. Seiler
30. Bäcker
31. Konditoren
32. Fleischer
33. Augenoptiker
34. Hörgeräteakustiker
35. Orthopädietechniker
36. Orthopädieschuhmacher
37. Zahntechniker
38. Friseure
39. Glaser
40. Glasbläser und Glasapparatebauer
41. Vulkaniseure und Reifenmechaniker