IFHandwerk e.V.

Bürokratieabbau machen, den man wirklich merkt

Der FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle hat heute ein bemerkenswertes Interview im Redaktionsnetzwerk Deutschland gegeben, in dem er fordert, dass die Ampel-Koalition im Bund endlich mal ein Bürokratieentlastungsgesetz machen solle, wo man die Auswirkungen auch wirklich merkt (Link: https://bit.ly/3KJgZ73)! Ich habe heute mit meiner Steuerberaterin darüber gesprochen. Wir waren uns einig, dass Bürokratieentlastung meist nur Regelungen im „Klein-Klein“ bedeutet. Im Klartext: viele neue unbedeutende Änderungen, die in ihrer Fülle allen vor allem ganz viel Arbeit machen. Weil sich eben ständig etwas ändert.

Für Handwerker sind die Grundfreiheiten besonders bedroht, weil Existenzgründungen immer stärker erschwert werden. Für Handwerksunternehmer, also diejenigen, die es in den Club der Selbstständigen geschafft haben, ist das Leben aber auch schwer, weil beispielsweise allein die Baulohnabrechnung so unfassbar kompliziert geworden ist. Damit ist es immer schwieriger möglich, Mitarbeiter, die heute so wertvoll sind wie Gold, zu sichern, weil sie ja wenigstens eine fehlerfreie Lohnabrechnung bekommen sollen. Das ist die Realität, das erleben die Praktiker, die Gesetze befolgen sollen. Und was macht die Politik? Sie macht ein Bürokratieentlastungsgesetz. Da sind wir nun wirklich gespannt.

Wir gespannt, ob hier wirklich was Gutes bei rauskommt. Die Überschrift des Interviews mit Konstantin Kuhle ist ja schon mal richtig: Ein Bürokratieabbau, dessen POSITVE Auswirkungen man im Alltag wirklich als positiv, entlastend, wirklich hilfreich wahrnehmen kann. Markige Worte? Nicht, wenn echte Taten folgen.

Als ich im Juli mit dem grünen Bundestagsabgeordneten Maik Außendorf sprach und er mir vom geplanten Bürokratieabbaugesetz erzählte, sagte ich: Ach, da machen Sie ja nur mal wieder ein neues Gesetz! Zugegeben, das war respektlos, etwas zu flapsig. Dass das als fraktionsübergreifendes Gesetz nicht einfach wird, ist klar. Schließlich ringen in der Ampelkoalition sehr unterschiedliche Partner um die richtige Lösung. Mit dabei auch die SPD, eine Partei, die im Wahlkampf für soziale Gerechtigkeit eintrat, aber in der Praxis vor allem der Bürokratietreiber Nr. 1 sein dürfte.

Konstantin Kuhle sprach mit seinen Antworten sicherlich vielen Unternehmern und Selbstständigen aus dem Herzen. Zitat:

„Viele Unternehmer und Selbstständige haben das Gefühl, dass sich der Staat verzettelt. Er führt ständig neue Aufgaben ein… Gleichzeitig haben die Menschen bei den großen Themen das Gefühl, dass der Staat es nicht hinkriegt.“ Der Chef des Normenkontrollrats Lutz Göbel (übrigens selbst Unternehmer) hat unlängst gegenüber dem Pioneer-Redaktionsdienst festgestellt: „Typische Handwerksbetriebe mit zehn Mitarbeitern können die Regelungsdichte gar nicht im Blick behalten.“ Zehn Mitarbeiter: Das ist die durchschnittliche Betriebsgröße. Wenn sie alles berücksichtigen, können sie gleich aufhören, meinte Göbel. Zu Recht meint Konstantin Kuhle deshalb: „Wir sollten … mehr Freiheiten zulassen, damit Menschen ihre Arbeit eigenverantwortlich organisieren können.“ Als Beispiel führte er die Arbeitszeitdokumentationspflicht oder das Meldewesen bei Übernachtungen an. Das Grundproblem ist, dass der Staat für Klein-Klein-Regelungen keine Gerechtigkeit herstellen kann, wenn er „für jeden noch so absurden Einzelfall eine staatliche Regelung“ vorsieht: Das „führt in den Bürokratiewahnsinn, den wir heute erleben.“

Wir machen hier mal einen Vorschlag: Abschaffung des Meisterzwangs, Zulassung der Berufsfreiheit auch im Handwerk, wie das beim Handel und in der Industrie seit 1945 üblich ist und was die Grundlage unseres Wohlstandes und die Grundlage unserer Marktwirtschaft darstellt. Der Kollege von Konstantin Kuhle, Jens Teutrine (Link: https://bit.ly/3shDGcc), hat sich im Interview mit dem „Handwerksberater“ hierzu schon klar positioniert: Natürlich für die Freiheit im Handwerk. Und da Konstantin Kuhle wie Teutrine ebenfalls Vorsitzender der Jungen Liberalen war, könnte das auch für ihn gelten. Denn das ist die Beschlusslage der Jungen Liberalen, die heute viele Mitglieder der FDP-Bundestagsfraktion stellt. Wir werden sehen, ob den Worten Taten folgen.

Eilmeldung: Bundesverfassungsgerichtspräsident a.D. Papier deutet Verfassungswidrigkeit der Coronamaßnahmen an. Selbstständigen wird ein „Sonderopfer“ abverlangt.

Der ehemalige Vorsitzende des Bundesverfassungsgerichts Papier, eine wirklich gewichtige Stimme, hat sich gegenüber dem Fernsehsender „ntv“ skeptisch zur Pandemiebekämpfung in Deutschland gezeigt. Er hat Zweifel geäußert, ob die Maßnahmen der Bundesregierung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie verfassungskonform sind. Zwar sieht er in der Maskenpflicht keine grundsätzliche Problematik aus verfassungsrechtlicher Sicht, wohl aber bei den Grundrechtseinschränkungen der vielen Selbstständigen.

Der Lockdown führt ja letztlich dazu, dass Einzelhändler schließen müssen, während Versender wie Amazon erhebliche Umsatzsteigerungen haben. Hier wird gewissermaßen Umsatz von kleinen Läden zu Amazon verlagert. An dieser Stelle wäre es beispielhaft wichtig gewesen, dass der Gesetzgeber und nicht die Regierung stärker hätten eingebunden werden müssen. Im Klartext: Durchregieren zur Krisenbekämpfung geht nicht ohne Parlament.

IFHandwerk-Geschäftsführer Michael Wörle: „Das Komplettversagen des Bundeswirtschaftsministers Altmaier, dessen November- und Dezemberhilfen noch immer nicht angekommen sind, ist nur ein kleiner Ausdruck dessen, dass die Regierung hier offensichtlich einen grundlegenden handwerklichen Fehler in ihrem Pandemiemanagement gemacht hat. Das kann dazu führen, dass Musterklagen der indirekt enteigneten Selbstständigen Erfolg haben. Die geschädigten Selbstständigen bekommen dann zwar ihr Unternehmen nicht zurück, aber das wird für die Bundesrepublik noch sehr teuer werden.“

Verfassungsexperte Papier bezeichnete das im Interview mit der Süddeutschen Zeitung als „Sonderopfer“ der Selbstständigen und forderte verbindliche Regeln für die Entschädigung von Unternehmen. Man kann das auch als Kritik an dem Entschädigungschaos des Bundeswirtschaftsministers lesen..

Rückvermeisterung: Die Gesetzesmaschine läuft rückwärts

Vor 15 Jahren: 2004 trat die große Handwerksreform in Kraft. Seitdem wollen unsere Gegner, die den Meisterzwang befürworten, dass dieses Gesetz überprüft wird. 2003 wurde von der damaligen rot-grünen Koalitionsregierung 53 Gewerke wie z.B. die Fliesenleger, Raumausstatter oder der Einbau genormter Baufertigteile vom Meisterzwang befreit und können seitdem ohne Meister- oder Gesellenbrief frei ausgeübt werden.

Am 4. Juni fand im Bundeswirtschaftsministerium die Verbändeanhörung statt. Die wichtigsten Argumente gegen die „Rolle rückwärts“ (Rückvermeisterung) werden hier zusammengefasst dargestellt. Die gesamte Stellungnahme des IFHandwerk e.V. ist auf der Homepage des Ministeriums veröffentlicht:

IFHandwerk-Stellungnahme

Wichtige Argumente gegen die „Rückvermeisterung“:

  • In Europa herrscht mehr Berufsfreiheit im Handwerk als in Deutschland. Nur in Deutschland ist der Berufszugang im Handwerk so streng reguliert (Meisterzwang). Deutsche Handwerker ohne Meisterbrief fühlen sich – zu Recht – hierdurch diskriminiert (Inländerdiskriminierung).
  • Die Handwerks-Novelle von 2003 bewirkte einen Gründungsboom: Der IFHandwerk e.V. streitet seit seiner Gründung für die Abschaffung des Meisterzwangs in Deutschland. Die Liberalisierung wollte mehr Existenzgründungen bewirken und hat dieses Ziel erreicht. Mit der Abschaffung des Meisterzwangs wurde ein Gründungsboom ausgelöst, wie er von uns vorausgesagt worden ist. Die Zahl der im deregulierten Bereich neu entstandenen Betriebe hat sich mehr als verdreifacht: von 74.940 auf 244.273 von 2003 bis 2017. Jetzt will man plötzlich weniger Wettbewerb, obwohl Handwerker im Markt dringend gesucht werden.
  • Das missverstandene „Prinzip Freiheit“: „Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen… Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden“, schreibt Artikel 12 des Grundgesetzes vor (Freiheitsprinzip). Die Ausnahme dieser Freiheit ist der Meisterzwang § 1 HWO. Ausnahmebewilligungen oder das Altgesellenprivileg sind die Ausnahme der Ausnahme: Die freie Berufswahl ist Ihr Grundrecht. Es gibt für Sie also keinen Grund, als Bittsteller bei Handwerkskammern aufzutreten. Schließlich geht es um das Ihnen von der Verfassung zugesprochene Freiheitsgebot. Damit gilt eine vom Bundesverfassungsgericht geforderte Großzügigkeit, wenn Sie auch ohne Meisterbrief in die Handwerksrolle eingetragen werden wollen. Statistisch kann aber in der Praxis von dieser Großzügigkeit keine Rede sein
  • Rechtsklarheit statt Willkür: Im Handwerksrecht ist so gut wie alles umstritten. Unklare Gesetzesregelungen setzen Selbstständige ständigen Gefahren aus. Das Rechtsstaatsgebot nach Art. 20 GG, ein zweites Grundrecht, verlangt jedoch, dass es diese Unklarheiten, bei denen nicht einmal Experten klar sagen können, was erlaubt und was verboten ist, gar nicht geben darf. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in einem Urteil gerade wieder eindrücklich bestätigt. Das gilt nicht nur fürs Handwerksrecht, sondern auch fürs Steuerrecht oder solche Regelungen wie die Soka-Bau-Abgabenpflicht. Eigentlich dürfte es diese Ärgernisse und Bürokratiehürden gar nicht geben. Im Klartext: Eine Rückvermeisterung wird mehr Bürokratie bewirken und ist deshalb rechtswidrig.
  • Ein sehr wichtiges Argument: Handwerkskammern können nicht für das gesamte Handwerk sprechen: Unsere Mitglieder wissen, dass beim Meisterzwang nur die Interessen der Meister-Lobby vertreten werden. Die Meisterlobby hat in vielen Kammern schon heute keine Mehrheit mehr. So stellen z.B. in der Handwerkskammer Hamburg die Zahl der zulassungspflichtigen Anlage-A-Gewerke nur noch 40,5% der Betriebe. Von diesen sind aber viele keine inhabergeführten Meisterbetrieben mehr, sondern werden von Altgesellen, Handwerkern mit Ausnahmebewilligungen oder Ingenieuren geführt. Zieht man also von den 40,5% diese ab, stellt die Meisterlobby noch ein Drittel aller Betriebe im Handwerk. Damit ist klar: Wer für den Meisterzwang eintritt, vertritt längst nicht mehr die Mehrheit der Kammerbetriebe.
  • Ausbildungsleistung: Ja, die Ausbildungsleistung geht zurück. Sie geht aber nicht zurück, weil der Meisterzwang für 53 Gewerke abgeschafft wurde. Der Lehrlingsbestand ist seit Jahren rückläufig, weil sich der Lehrlingsbestand überall in der Wirtschaft dramatisch verringert hat. Es gibt nämlich insgesamt einfach weniger Lehrlinge und Ausbildung ohne Meisterbrief wird zusätzlich erschwert. Eine Aussetzung der Ausbildereignungsprüfungspflicht, das hatten wir schon mal, würde hier die Not etwas lindern. Der Lehrlingsmangel und daraus folgend der Fachkräftemangel darf jedenfalls auf keinen Fall dafür benutzt werden, unseren Mitgliedern das Handwerk zu untersagen. Nur damit die Meisterzwang-Befürworter sie wieder in Lohn und Brot (abhängige Beschäftigung) zwingen können.
  • Fachkräftemangel: Fachkräfte entstehen nicht nur durch mehr Ausbildung. Viele Fachkräfte, gerade in innovativen, neuen Wirtschaftszweigen, sind Quereinsteiger, Erfinder und Tüftler. Das zeigt die Geschichte der industriellen Revolution: Die war nur möglich, weil der Zunftzwang aufgehoben wurde. Das lehrt auch der Aufschwung der digitalen Revolution. Das Smartphone wurde von Apple in Amerika und nicht von deutschen Radio- und Fernsehtechnikern entwickelt. Hier hätte die Handwerkskammer die innovative Garagenfirma ohne Meisterbrief kurz nach der Gründung zwangsweise geschlossen. Am besten erklärt diese absurde Denkweise das bekannte Sprichwort: Übung macht den Meister. Nur nicht in Deutschland. Hier macht es angeblich nur die Meisterprüfung.
  • Meisterzwang als Wettbewerbsverzerrung: Das Handwerksrecht ist gerade wegen seinen unklaren Abgrenzungen hervorragend geeignet, um unliebsame Wettbewerber anzuzeigen und aus dem Rennen zu boxen. Das zeigen Praxis-Fälle unserer Mitglieder Joachim und Ronny, die von den Ordnungsbehörden regelrecht erpresst werden. Der Meisterzwang ist nicht nur eine Wettbewerbsverzerrung, sondern ein Beitrag zu mehr Bürokratie – und nicht weniger, wie gerade die CDU/CSU so gerne im Wahlkampf fordert.