Wachwechsel im Bundeswirtschaftsministerium: Peter Altmaier wachte auf als Privatmann – ohne Bundestagsmandat, ohne Ministeramt. Der „Lowperformer“ der Bundesregierung (Friedrich Merz) ist abgetreten. In „Steingarts Morning Podcast“ verkündete er, dass er das in Ruhe angehen wolle. Kann er auch, wenn auch nicht guten Gewissens. Aber das ist freien Handwerkern nun ziemlich egal. Altmaier mag nun in Ruhe Rentner werden, die von ihm schlecht vertretenen Selbstständigen haben vor Weihnachten eher wenig Ruhe gehabt. Der schlechteste Bundeswirtschaftsminister der letzten 20 Jahre, der die Rückvermeisterung durchgewunken hat, der Solo-Selbstständige in der Pandemie im Regen stehen ließ, wird gerade vor Weihnachten negativ in Erinnerung bleiben, weil er das wenige Geld, welches Solo-Selbstständige erhalten haben, nun zurückfordern will. „Ich bin froh, wenn die mich in Ruhe lassen“, meinte ein freier Handwerker.
Zum ersten Mal in der Geschichte aber ist der neue Wirtschaftsminister ist ein Grüner: Robert Habeck. Wir erinnern uns: Die rot-grüne Bundesregierung mit ihrem sozialdemokratischen Superminister für Wirtschaft und Arbeit Wolfgang Clement hat damals die Deregulierung des Handwerks durchgesetzt. An der Seite Clements waren die grünen Staatssekretäre Margareta Wolf und Rezzo Schlauch, ohne die vermutlich die Aufhebung des Meisterzwangs für mehr als 50 Gewerke nicht durchgesetzt worden wäre.
Insofern schauen freie Handwerkinnen und Handwerker nun gespannt darauf, wie es weitergeht. Sie erwarten, dass ein grüner Superminister für Wirtschaft, Klima und Technologie der Linie der Grünen treu bleibt und wieder mehr Freiheit für Selbstständige im Handwerk ermöglicht. Dass das kein Selbstgänger im „Angestelltenwunderland Deutschland“ ist, zeigt ein Beitrag von Sascha Lobo im Spiegel (Link: https://lmy.de/lnLRq). Zitat: „Die Verständnislosigkeit und die Missgunst, mit denen Selbstständigen hierzulande begegnet wird, sind weltmeisterlich.“ Es sind der ZDH, Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften, die Selbstständige als missglückte prekäre Beschäftigungsform integrieren oder verhungern lassen. Das zeigt gerade die Erfahrung in der Pandemie, in der ein Wirtschaftsminister der CDU Selbstständigen im Lockdown den Unternehmerlohn verweigerte, während sein sozialdemokratischer Kollege Heil dafür sorgte, dass zum großen Teil aus Steuermitteln das Kurzarbeitsgeld bezahlt wurde. Fazit: Arbeitnehmer bekommen Lohnersatz in der Pandemie, Selbstständige nicht.
Im neuen Koalitionsvertrag der Ampelregierung stehen jedoch viele positive Signale für die Selbstständigkeit insgesamt – durchgesetzt von Grünen und Liberalen. Doch Sascha Lobo mahnt zu Recht: „Nur nutzen Signale, Vorhaben und Versprechungen (aus diesen Bausteinen bestehen Koalitionsverträge prinzipiell) wenig, wenn sie mit der falschen Haltung umgesetzt werden. Und aktuell lässt sich diese falsche Haltung sehr gut an den Coronahilfen ablesen. Vor allem das Arbeits- und das Wirtschaftsministerium haben im Verein mit den Bundesländern eine Vielzahl von Hilfen auf den Weg gebracht. Coronahilfen für Unternehmen und Angestellte, etwa die Kurzarbeit, haben die deutsche Wirtschaft wunderbarerweise durch die Pandemie getragen. Gut so! Allerdings haben eine Reihe großer Konzerne nicht nur Kurzarbeitergeld kassiert, sondern gleichzeitig auch massive Gewinne eingefahren. Das wird auch so bleiben, weil es sich um eine Versicherungsleistung handelt, die der Staat nicht zurückfordern kann, wenn kein Missbrauch vorliegt.
Die staatliche Haltung gegenüber Soloselbständigen hingegen manifestiert sich in der völlig anderen Behandlung. Denn dort werden genau jetzt, kurz vor Weihnachten, mitten in der vierten Welle gigantische Summen von Selbstständigenhilfen zurückgefordert. Aus Sicht der Behörden handelt es sich um »zu viel oder unberechtigt gezahltes Geld«. In Wahrheit aber waren die Auszahlungsbedingungen so komplex und kompliziert, dass es fast unmöglich war und ist, sie in Gänze zu durchdringen. Noch dazu wurden sie nicht selten nach und nach angepasst oder präzisiert, sodass längst ausgezahlte Hilfen plötzlich als unberechtigt erkannt wurden. Kompliziertheit wird zur Ungerechtigkeit, wenn man nicht die Mittel hat, um sie zu bewältigen2, schreibt Sascha Lobo.
Der aus der Sicht von Selbstständigen lobenswerte Koalitionsvertrag ist das eine, den Beamtenapparat richtig anzuleiten, ist das andere. Dass die Coronahilfen in ihrer Unübersichtlichkeit nicht hilfreich waren, zeigt, wie unfähig der Apparat darin ist, auf die Bedürfnisse von Selbstständigen wirklich einzugehen. Freie Handwerker können davon ein Lied singen. Im Handwerksrecht ist so gut wie alles umstritten. Was bleibt dabei auf der Strecke? Die Freiheit. An die Freiheit tritt die Willkür.
Sascha Lobo erklärt das am Beispiel der Coronahilfen: „Der Staat kommuniziert in dieser Angelegenheit ungefähr so verständlich, verlässlich und verbindlich wie in den meisten Dingen der Coronapandemie, also überbürokratisch menschenfeindlich mit Geschmacksrichtung Kafka. Aber er tut, als sei alles stets klar und rechtzeitig kommuniziert worden, und bestraft unerbittlich durch Rückforderung zum schlechtestmöglichen Zeitpunkt. Nicht selten mit betrugsunterstellendem Unterton.“ Und der schlechtestmögliche Zeitpunkt ist Weihnachten. Oder?
Ob sich das unter einem grünen Superminister ändern wird? Die Grünen und die Liberalen sind die einzigen Parteien, die verstanden haben, wie unterschiedlich die Lebenswelt von Selbstständigen ist. Nun müssen sie s nur noch ihren Angestellten im eigenen Ministerium beibringen. Wir schauen gespannt auf das Jahr 2022.